Produzentenhaftung gemäß § 823 I BGB


Die Produzentenhaftung ist ein spezieller Fall der Haftung aus § 823 I wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Besonderheit besteht darin, daß für einen bestimmten Personenkreis - Produzenten - eine herstellerspezifische Verkehrssicherungspflicht zur Vermeidung bestimmter Fehler aufgestellt wird, bei deren Verletzung in bestimmten Bereichen eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens stattfindet.


  1. Industrieller Hersteller

    Als industrieller Hersteller unterliegt man der Produzentenhaftung.

  2. Verhalten des Herstellers

    Die Eigentumsverletzung muß durch ein Verhalten des Herstellers eingetreten sein.

    1. Die früher hM sah als pflichtwidriges Verhalten nicht die Herstellung und das Inverkehrbrin-gen - positives Tun - an, sondern den Umstand, daß bei der Herstellung die zum Schutz der Käufer erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen unterlassen wurden.

    2. Neuerdings wird der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit im Inverkehrbringen des fehlerhaften Produkts - positives Tun - gesehen.
      Dies ist auch plausibel, denn hat jemand Energie eingesetzt, die erfolgskausal geworden ist, so ist dieser Energieeinsatz - also das aktive Tun - grds auch der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit. Dies gilt auch im Bereich des fahrlässigen Verhaltens. Zwar ist fahrlässiges Verhalten immer zugleich mit einem gewichtigen Unterlas-sungsmoment behaftet. Solange dieses Unterlassungsmoment sich aber im Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt erschöpft, führt es nicht zur Umbewertung des Tuns in ein Unterlassen, sondern gibt dem Tun sein Fahrlässigkeitsgepräge.
      Allerdings ist zu beachten, daß es bei der Produzentenhaftung um eine mittelbare Verletzung geht. Wenn ein Produzent eine fehlerhafte Ware in den Verkehr bringt, entsteht die tatbestandsmäßige Verletzung nämlich erst dadurch, daß der Geschädigte oder ein Dritter die Sache benutzt, verbraucht oder diese einer bestimmten Belastung nicht standhält.

    3. Bei mittelbarer Verletzung ist die Verletzungshandlung weit entfernt vom Verletzungserfolg. Eine Zurechnung ist daher nur möglich, wenn ein sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang besteht. Dieser liegt vor, wenn der Produzent Verkehrssicherungspflichten verletzt hat, die zum Schutz des Verbrauchers bestehen bzw die bestimmte Verletzungserfolge verhindern wollen. Derjenige, der Waren herstellt und in den Verkehr bringt, muß dafür sorgen, daß durch diese Waren andere Rechtsgüter des Verbrauchers nicht beeinträchtigt werden. Er muß alle erforderlichen Sicherungsmaßnahmen treffen, um produktbedingte Gefahren für Rechtsgüter des Verbrauchers zu vermeiden. Da die Produzentenhaftung nach den §§ 823 ff im Gegensatz zur Produzentenhaftung nach dem ProdHaftG verschuldensabhängig ist, wird vom Produzenten nur verlangt, Sicherungsmaßnahmen im Rahmen des objektiv Zumutbaren und Möglichen zu treffen. Man unterscheidet zwischen folgenden Verkehrssicherungspflichten:

      1. Konstruktionsfehler

        Betroffen ist die ganze Modellreihe.

      2. Fabrikationsfehler

        Sie haften nur einzelnen Produkten oder Einzelteilen an und betreffen nicht die ganze Modellreihe. In der Fabrikationsphase muß der Produzent alle nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik möglichen und zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit kein fehlerhaftes Produkt in den Rechtsverkehr gelangt. Kann der Produzent allerdings nachweisen, daß er die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen hat und hier nur ein sog. 'Ausreißer' vorliegt, liegt keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vor.

      3. Instruktionsfehler

        Warnung vor naheliegendem Fehlgebrauch, nicht jedoch vor Mißbrauch. (zB Klebstoff-Fall)

      4. Produktbeobachtungspflicht: zB Rückrufpflicht

  1. Kausalität

    Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht muß für die Eigentumsverletzung kausal gewesen sein.

  2. Rechtswidrigkeit

    Bei Verletzungen von Verkehrssicherungspflichten ist Rechtswidrigkeit gegeben.

  3. Verschulden

    Steht fest, daß ein Fehler im Herstellerbereich vorliegt und daß dieser Fehler für den Schaden ursächlich war, so ist davon auszugehen, daß der Fehler auf dem Verschulden des Herstellers beruht, wenn er nicht den Beweis führt, daß ihn kein Verschulden trifft (Umkehr der Beweislast, aber nur bei Fabrikations- bzw Konstruktionsfehlern und nicht bei Instruktionsfehlern.).
    (Ausnahme vom Grundsatz, daß der Kläger die Beweislast zu tragen hat, nur bei der Produzenten- und Arzthaftung.)

  4. Art und Umfang der Ersatzleistung

    Nach § 249 ist Schadensersatz grds in Form der Naturalrestitution zu leisten. Der Geschädigte kann bei der Beschädigung einer Sache gemäß § 249 S.2 Geld für die Herstellung verlangen. Dafür stehen nach gefestigter Rspr grds zwei Wege zur Verfügung:

    1. Er kann seine Sache reparieren lassen oder

    2. Er kann sich eine (gleichwertige) Sache anschaffen.

    Unter den mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte grds diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert (sog. Wirtschaftlichkeitspostulat).