Die Kostenentscheidung

 

Die Kostenentscheidung im Urteilstenor ist lediglich eine Grundentscheidung über die grundsätzliche Verpflichtung zur Kostentragung.

 

1)     Grundzüge der Kostentragungspflicht

Welche der Parteien in welchem Umfang die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, bestimmt sich im Grundsatz danach, in welchem Umfang die Parteien im Rechtsstreit unterlegen sind bzw obsiegt haben.

 

Tenor: „Der Beklagte (Kläger) trägt die Kosten des Rechtsstreits“ oder „Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten (Kläger) auferlegt

Allerdings können im Fall des § 93 ZPO – sofortiges Anerkenntnis des Beklagten – die Kosten dem obsiegenden Kläger auferlegt werden.

 

 

a)     Grundlage für die Feststellung des Verhältnisses des Unterliegens bzw Obsiegens und damit für die Quote ist der Gebührenstreitwert des Rechtsstreits.

Der Gebührenstreitwert bestimmt sich nach § 12 GKG zwar grds gemäß den §§ 3 ff ZPO; in §§ 12 ff GKG sind aber den §§ 3 ff ZPO vorgehende Sonderregelungen normiert (besonders bedeutsam: § 19 GKG). Der gemäß §§ 12 ff GKG bestimmte Gebührenstreitwert gilt auch für die Anwaltsgebühren (§§ 8,9 BRAGO).

Soweit der Gebührenstreitwert nicht – wie etwa bei einer Zahlungsklage – eindeutig feststeht, muß er, wenn es auf ihn für die Entscheidung über die Kosten oder über die vorläufige Vollstreckbarkeit ankommt, auch im Rahmen der Klausurlösung zum Ausdruck gebracht werden. Dies kann geschehen:

o        Durch einen gesonderten Streitwertbeschluss (§ 25 GKG), der nur die Festsetzung des Streitwerts enthält

o        Durch einen Zusatz zum Tenor oder am Schluß der Entscheidungsgründe

o        Durch eine Mitteilung in den Entscheidungsgründen, welcher Streitwert den Nebenentscheidungen zugrunde gelegt worden ist.

 

b)     Falls das Unterliegen und Obsiegen in etwa gleich zu bewerten ist, können die Kosten gemäß § 92 I 1 Alt.1 ZPO „gegeneinander aufgehoben“ werden.

Diese Formulierung bedeutet, dass die Gerichtskosten hälftig geteilt werden und dass jede Partei ihre aussergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, also insoweit, unabhängig von der Höhe, keine Erstattung verlangen kann.

Die auch mögliche Tenorierung, dass „die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt werden“, hat dagegen zur Folge, dass auch die außergerichtlichen Kosten in die Halbierung einbezogen werden, so dass die Partei, die die höheren außergerichtlichen Kosten hatte, insoweit eine anteilsmäßige Erstattung beanspruchen kann. Eine solche Formulierung wird daher dann gewählt, wenn der Gegner an diesen höheren außergerichtlichen Kosten beteiligt werden soll.

 

c)     Nicht gegeneinander aufzuheben, sondern nach § 92 I 1 2.Alt. ZPO verhältnismässig zu teilen sind die Kosten dann, wenn das Unterliegen des einen das des anderen Teils überwiegt. Die Quote kann durch Brüche oder in Prozentzahlen ausgedrückt werden.

o        In der Praxis überwiegt wohl noch die Verwendung von Brüchen, die durch eine möglichst genaue Annäherung an das Verhältnis des Unterliegens zum Obsiegen bestimmt werden.

o        Zunehmend setzt sich jedoch die genauere Festsetzung in Prozenten durch.

 

 

d)     Nach § 92 II ZPO können die gesamten Prozeßkosten der einen Partei auferlegt werden, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei

o        verhältnismäßig geringfügig war

Nach T/P § 92 Rn 8 kann eine geringfügige Zuvielforderung ein kleinerer Bruch als 1/10 sein.

Nach MüKo ZPO § 92 Rn 14 lässt sich für eine „verhältnismässige Geringfügigkeit“ eine bestimmte Grösse nicht festlegen. Sowohl die auf die Zuvielforderung entfallende Quote als auch der bei entsprechender Quote zu errechnende Betrag müssen den Umständen entsprechend geringfügig sein.

Nach Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 92 Rn 49 muss man das Vorliegen von Geringfügigkeit von Fall zu Fall nach den gesamten Umständen und durch Ermittlung des Verhältnisses der zugesprochenen Leistung zur ursprünglichen Klageforderung ermitteln. Man kann eine Grenze bei 10% ziehen.

BGH NJW 1988, 2173, 2175: Obwohl Zinsen nach § 4 I ZPO bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben, können Zuvielforderungen in diesem Bereich durchaus zu einer Kostenverteilung führen. Für die Anwendung des § 92 ZPO ist es vielmehr ohne Bedeutung, ob eine Partei mit einem Haupt- oder Nebenanspruch teilweise obsiegt, bzw unterliegt, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt. Ob eine Kostenquote gegen den Kläger zu bilden ist oder dem Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen sind, hängt davon ab, ob die Zuvielforderung „verhältnismässig geringfügig“ war. Es muss daher die abgewiesene Zinsforderung der Höhe nach berechnet werden und in Relation zur Hauptforderung mit den zugesprochenen Zinsen gesetzt werden. Falls die abgewiesene Zinsforderung mehr als 10% ausmacht, besteht keine Geringfügigkeit mehr: Quote.

Nach Anders/Gehle Rn 169 müssen die Nebenforderungen bei der Ermittlung der Kostenquote jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn sie im Verhältnis zur Hauptforderung nicht unbeträchtlich sind. Davon ist auszugehen, wenn die abgewiesene Nebenforderung mehr als 10% der Hauptforderung beträgt.

Nach Anders/Gehle, Antrag und Entscheidung im Zivilprozeß Rn 213 ff liegt die Beurteilung der Frage, wann eine Zuvielforderung verhältnismässig geringfügig ist, im Ermessen ds Gerichts. Wegen der insgesamt relativ hohen Kosten eines Rechtsstreits sollte die Grenze jedoch spätestens ab 10% des Streitwertes als erreicht angesehen werden.

Wird die Klage nur mit einem Teil der Zinsen abgewiesen, kommt es darauf an, ob der abgewiesene Teil der Zinsforderung im Verhältnis zur Hauptforderung einschließlich der geltend gemachten Zinsen verhältnismässig geringfügig ist, dh unter 10% der Gesamtforderung liegt. Bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Zinsforderung ist deren Laufzeit von Bedeutung. Maßgeblich sind der geltend gemachte Beginn der Laufzeit und der Zeitpunkt etwa 6 Monate nach Verkündung des Urteils, da nach der Erfahrung die Vollstreckung eines Urteils etwa 6 Monate nach der Verkündung erfolgt. Bei der Überprüfung der „Geringfügigkeit“ iSd § 92 II ZPO ist von folgender Formel auszugehen:

 

      Zuvielforderung x 100

 

________________________________

 Gesamtforderung (= fiktiver Streitwert)           

 

Die Gesamtforderung setzt sich aus der Hauptforderung und den geltend gemachten Zinsen zusammen. Die Zuvielforderung wird ermittelt durch die Gesamtforderung abzüglich der zuerkannten Zinsen.

Ergibt diese Formel weniger als 10%, ist von einer Geringfügigkeit iSd § 92 II, 1.Alt auszugehen.

 

o        und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.

Zur Feststellung dieser Voraussetzung muss anhand der Gebührentabellen ermittelt werden, ob dieselben Kosten auch dann entstanden wären, wenn die Zuvielforderung unterblieben wäre: dies ist nicht der Fall - § 92 II ZPO als unanwendbar – wenn bei den Gerichts- oder Anwaltskosten ein Gebührensprung vorliegt.

 

e)     Klausurrelevante Sonderfälle von Teilunterliegen

 

o        Abweisung hinsichtlich der Zinsforderung (als Nebenforderung):

Eine Zinszuvielforderung kann keine höheren Kosten verursachen, da die blosse Zins(neben)forderung den Streitwert nicht erhöht (§ 4 I ZPO). Ob eine Kostenquote gegen den Kläger zu bilden ist oder dem Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen sind, hängt davon ab, ob die Zuvielforderung „verhältnismässig geringfügig“ war. Es muss daher die abgewiesene Zinsforderung der Höhe nach berechnet werden und in Relation zur Hauptforderung mit den zugesprochenen Zinsen gesetzt werden. Falls die abgewiesene Zinsforderung mehr als 10% ausmacht, besteht keine Geringfügigkeit mehr: Quote.

Die Zinsforderung bleibt Nebenforderung auch bei Zusammenrechnung mit der Hauptforderung.

 

o        Zug-um-Zug-Verurteilung statt der beantragten uneingeschränkten Verurteilung:

Die Kostenquote wird im Allgemeinen in etwa nach dem Verhältnis des Wertes der Gegenleistung zu der Klageforderung bestimmt werden können.

Siegburg Rn 78: Wenn der Wert von Gegenleistung und Klageforderung in etwa gleich sind, kommt eine Kostenaufhebung in Betracht.

Hensen NJW 1999, 395: Entscheidend ist das Verhältnis der Interessen des Klägers an uneingeschränkter Verurteilung und des Beklagten an Zurückhaltung. Wenn die vom Kläger zu erbringende Gegenleistung so deutlich höher ist als die Klageforderung, dass die Zug-um-Zug-Verurteilung für den Kläger wirtschaftlich wertlos ist, können die Kosten auch völlig dem Kläger aufzuerlegen sein (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996,148).

 

o        Hauptantrag wird voll stattgegeben / Haupt- und Hilfsantrag werden abgewiesen:

Die Kosten trägt der jeweils voll Unterliegende (§ 91 ZPO).

 

o        Bei Abweisung des Hauptantrags und Zuerkennung des Hilfsantrags:

Hier ist ebenfalls eine einheitliche Kostenentscheidung zu bilden, also nicht: „Der Kläger trägt die Kosten des Hauptantrags, der Beklagte die Kosten des Hilfsantrags“, sondern:

 

(1)  Falls die Anträge nicht denselben Gegenstand betreffen: Zusammenrechnung und danach Quote gem. § 92 ZPO nach dem Maß des Obsiegens bzw Unterliegens.

 

(2)  Falls aber Haupt- und Hilfsantrag denselben Gegenstand betreffen (keine Zusammenrechnung), liegt nach der hM ein Teilunterliegen des Klägers iSv § 92 I ZPO nur dann vor, wenn der abgewiesene Hauptantrag einen höheren Streitwert hatte als der Hilfsantrag; anderenfalls – also bei gleichem oder höherem Streitwert des Hilfsantrags – sei ein volles Obsiegen des Klägers anzunehmen, so dass dann die Kosten gemäß § 91 ZPO den Beklagten treffen.

 

o       Zur Aufrechnung des Beklagten mit einer Gegenforderung

Die Primäraufrechnung beeinflusst den Streitwert nicht: Kostenverteilung nach dem Obsiegen bzw Unterliegen im Verhältnis nur zur Klageforderung.

Wenn dagegen bei einer Hilfsaufrechnung über die Gegenforderung entschieden wird, gilt § 19 III GKG: Erhöhung des Streitwerts, soweit eine rechtskraftfähige Entscheidung über die Gegenforderung ergeht, also maximal bis zur Verdoppelung des Wertes der Klageforderung (§ 322 II ZPO). Dies führt nach hM zu einer Beteiligung des Beklagten an den Kosten, wenn die Klage aufgrund der Gegenforderung ganz oder zum Teil abgewiesen wird.

 

Grundsätzlich ist eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen, die sich auf die Kosten des gesamten Verfahrens bezieht; eine Kostentrennung nach Verfahrensabschnitten oder nach einzelnen Kostenteilen ist grds unzulässig.