1)     Anspruch auf rechtliches Gehör

·         Hat als verfahrensrechtliches Grundprinzip Verfassungsrang (Art. 103 I GG) und verpflichtet das Gericht, den Parteien zu ermöglichen, den von ihnen eingenommenen Standpunkt in ausreichender und sachgerechter Weise im Prozeß darzulegen. Hierzu gehört es, den Parteien das Recht einzuräumen, ihre Anträge zu stellen, Tatsachen zu behaupten und dafür Beweise anzubieten sowie jeweils von dem Vortrag der Gegenpartei so rechtzeitig zu erfahren, daß dazu Stellung genommen werden kann.

·         Das Recht auf rechtliches Gehör wird in der ZPO nicht ausdrücklich genannt, sondern als selbstverständliche Grundregel jedes rechtsstaatlichen Verfahrens vorausgesetzt.

·         Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör stellt einen Verfahrensmangel dar, der durch Rechtsmittel geltend zu machen ist und nicht etwa zur Nichtigkeit der Entscheidung führt.

 

 

2)     Anspruch auf ein faires Verfahren

·         Abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip.

·         Der Richter ist verpflichtet, das Verfahren so zu gestalten, wie die Parteien des Zivilprozesses es von ihm erwarten können. Im einzelnen bedeutet dies, daß der Richter sich nicht widersprüchlich verhalten darf, daß es ihm verwehrt ist, aus eigenen oder ihm zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Parteien abzuleiten und daß er ganz allgemein verpflichtet ist, gegenüber den Verfahrensbeteiligten und ihrer konkreten Situation Rücksicht zu üben.

·         Das ergibt sich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der im Zivilprozeß ebenfalls gilt und der nicht nur das Gericht, sondern auch die Parteien zu einer redlichen Prozeßführung und zu einem fairen Umgang miteinander verpflichtet.

·         Objektivität und Neutralität des Richters ggüber den Parteien stellen unabdingbare Voraussetzungen für ein faires Verfahren dar. (® Ausschließung oder Ablehnung eines Richters, §§ 41 ff.)

 

 

3)     Der Dispositionsgrundsatz

·         Das Recht der Parteien,

ð     über den Rechtsstreit als ganzen zu verfügen,

ð     ihn durch Initiative des Klägers in Gang zu setzen,

ð     den Streitgegenstand zu bestimmen,

ð     den Rechtsstreit durch Anträge voranzutreiben

ð     und ihn auch vorzeitig, dh ohne Urteil, zu beenden.

·         Im einzelnen bedeutet dies, daß ein Zivilprozeß nur auf Antrag beginnt, daß die Anträge der Parteien dafür maßgebend sind, worüber das Gericht zu entscheiden hat (§ 308 I) und daß die Parteien ohne ein Urteil in der Hauptsache den Rechtsstreit durch Klagerücknahme (§ 269), durch Erledigungserklärung oder durch einen Prozeßvergleich beenden können.

·         Schließlich können die Parteien durch Verzicht (§ 306) oder durch Anerkenntnis (§ 307) ohne Prüfung des Streitstoffes durch das Gericht eine Sachentscheidung herbeiführen.

·         Auch das Recht der Parteien, die Überprüfung einer ungünstigen Entscheidung durch das nächsthöhere Gericht vornehmen zu lassen, ist Ausfluß der Dispositionsmaxime.

·         Das dem Dispositionsgrundsatz entgegenstehende Prinzip ist der Offizialgrundsatz (Offizialmaxime), nach dem das Verfahren von Amts wegen eröffnet und beendet wird.

Die Offizialmaxime gilt im Zivilprozeß nicht.

 

 

4)     Beibringungsgrundsatz

·         Beibringungsgrundsatz: Den Parteien fällt die Aufgabe zu, die Tatsachen, über die das Gericht entscheiden soll, vorzutragen und, soweit erforderlich, zu beweisen.

·         Untersuchungsgrundsatz: Hier hat das Gericht für die Beschaffung und den Beweis der entscheidungserheblichen Tatsachen zu sorgen.

·         Im Zivilprozeß gilt grds der Verhandlungsgrundsatz, während der Untersuchungsgrundsatz eine Ausnahme darstellt. Denn der Zivilprozeß wird durch das Prinzip der Parteifreiheit und der Parteiverantwortung beherrscht, auf das sowohl Dispositionsgrundsatz als auch Beibringungsgrundsatz zurückzuführen sind und das üblicherweise mit dem Satz umschrieben wird, daß die Parteien die Herren des Verfahrens seien.

·         Nur in Fällen, in denen ein öffentliches Interesse an einer umfassenden und richtigen Aufklärung der tatsächlichen Grundlagen einer gerichtlichen Entscheidung besteht (zB Kindschaftssachen, vgl aber § 640 d, oder Ehesachen, §§ 616, 617), gilt der Untersuchungsgrundsatz.

·         Trotz Verhandlungsgrundsatz übt das Gericht einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Beibringung der Tatsachen aus:

ð     Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens darauf hinzuwirken, daß sich die Parteien vollständig erklären (§ 273 I), zB einen ungenügenden Tatsachenvortrag ergänzen (§ 139 I). § 139 schränkt den Verhandlungsgrundsatz nicht ein, sondern ergänzt ihn durch die richterliche Pflicht, auf Unklarheiten, Widersprüche und Lücken in der Sachverhaltsdarstellung der Parteien hinzuweisen. Es bleibt aber Sache der Parteien, aus solchen Hinweisen Folgerungen zu ziehen und ihren Vortrag entsprechend zu korrigieren. Die richterliche Frage- und Hinweisepflicht besteht unabhängig davon, ob die Parteien anwaltlich vertreten sind.

ð     Erkennt das Gericht, daß eine Partei lügt, darf es grds dieses Vorbringen nicht berücksichtigen. Es ist unzulässig, daß Behauptungen „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden. (vgl § 138 I)

 

 

5)     Grundsatz der Mündlichkeit und Schriftlichkeit

·         § 128 I beruht auf der Erkenntnis, daß sich durch Rede und Gegenrede vieles besser und schneller klären läßt als durch den Austausch von Schriftsätzen. („ Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.“)

·         Andererseits ist es insbesondere zur Beschleunigung des Verfahrens geboten, Gericht und Parteien bereits vor der mündlichen Verhandlung mit dem Streitstoff bekanntzumachen, damit sie sich darauf einstellen können (vgl §§ 129 ff.).

·         Es gilt also für den Zivilprozeß eine auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Kombination von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, die sich dahingehend beschreiben läßt, daß grds das Gericht eine Entscheidung nur aufgrund mündlicher Verhandlung treffen darf und daß Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein muß, was zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht wird, daß aber eine Reihe von Ausnahmen zugunsten der Schriftlichkeit gelten. (vgl Versäumnisurteil, § 331 III; Anerkenntnisurteil, § 307 II; Entscheidung nach Lage der Akten, §§ 251a, 331a).

·         Mit Zustimmung der Parteien kann das Gericht nach § 128 II auf eine mündliche Verhandlung verzichten.

·         Vor den Amtsgerichten kann der Richter nach § 495a ZPO sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert 600 € nicht übersteigt. Eine mündliche Verhandlung ist nur dann notwendig, wenn eine Partei sie beantragt.

 

 

6)     Grundsatz der Unmittelbarkeit

·         Die Verhandlung des gesamten Rechtsstreits muß vor demselben Gericht stattfinden und dieses Gericht hat dann auch die Entscheidung zu treffen.

·         Ausnahmen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit müssen insbesondere aus praktischen Gründen zugelassen werden (vgl § 355 I 2). So kann die Beweisaufnahme einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden.

 

 

7)     Grundsatz der Öffentlichkeit

·         Der Grundsatz der Öffentlichkeit dient der Transparenz richterlicher Tätigkeit als Grundlage für das Vertrauen in eine unabhängige und neutrale Rechtspflege.

·         Die Öffentlichkeit ist aus praktischen Gründen eng mit der Mündlichkeit verknüpft und bezieht sich auf Phasen des Verfahrens, für die Mündlichkeit vorgeschrieben ist, nämlich auf die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse. (§ 169 S.1 GVG)

·         Einschränkungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei entsprechenden Interessen der Parteien oder Zeugen an einer Geheimhaltung (zB § 170 GVG bei Familien- und Kindschaftssachen) oder bei zB Interesse des Staates (§ 172 Nr.1 GVG).

·         Parteiöffentlichkeit: Das Recht der Parteien, an jeder Beweisaufnahme im Rahmen ihres Rechtsstreites teilzunehmen, auch wenn sie nicht öffentlich stattfindet (§ 357 I).

·         Die Parteiöffentlichkeit leitet sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ab und darf deshalb auch nicht wegen des Interesses der Gegenpartei eingeschränkt werden.

 

 

 

 

Folgen einer Verletzung von Verfahrensgrundsätzen

·         Grds verhindern auch schwerste Verfahrensfehler nicht die Wirksamkeit eines Urteils.

·         Dies gilt nur dann nicht, wenn das Gericht unter Mißachtung des Dispositionsgrundsatzes eine Entscheidung erläßt, obwohl keine Klage erhoben oder eine einmal erhobene Klage wirksam zurückgenommen wurde. Eine solche Entscheidung ist unwirksam.

·         In anderen Fällen muß dagegen die betroffene Partei die Verletzung von Verfahrensgrundsätzen mit den jeweils in Betracht kommenden Rechtsmitteln geltend machen.

ð     Der Erfolg des Rechtsmittels hängt davon ab, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, den die Verletzung von Verfahrensgrundsätzen darstellt, beruht.

ð     Allerdings bilden einzelne Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze absolute Revisionsgründe, bei denen stets davon ausgegangen werden muß, daß die Entscheidung durch die Verletzung des Gesetzes beeinflußt worden ist (§ 547).