Art. 12 – Berufsfreiheit
1. Schutzbereich
a) Berufsbegriff
Als Beruf versteht man jede selbstständige
und unselbstständige Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer
Lebensgrundlage dient, auf Dauer angelegt ist und nicht offensichtlich
sozialschädlich ist.
b) Berufswahlfreiheit
Geschützt ist die Entscheidung überhaupt
einen Beruf zu ergreifen oder nicht zu ergreifen, dazu zählt auch die Wahl
eines Zweitberufs oder einer Nebenbeschäftigung. Dabei kann ebenfalls das
Berufsbild selbst bestimmt werden.
BVerfGE 73, 280 –
Notarbewerber
c) Arbeitsplatzwahlfreiheit
Das ist das Recht, einen konkreten
Arbeitsplatz nach eigener Wahl anzunehmen, beizubehalten oder aufzugeben.
BVerfGE 84, 133 –
Warteschleife
d) Ausbildungsstätte
Obwohl Art. 12 I nur von einer freien Wahl
der Ausbildungsstätte spricht, wird nach dem BVerfGE damit ein Abwehrrecht
gegen Freiheitsbeschränkungen im Ausbildungswesen verbürgt.
BVerfGE 33, 303 – Numerus
Clausus
Die Ausbildung muss auf das Ziel einer
berufsbezogenen Qualifikation gerichtet sein. Daran fehlt es zB bei den meisten
Schulen.
e) Berufsausübungsfreiheit
Die Berufsausübungsfreiheit umfasst die
Bestimmung über Form, Mittel und Umfang der beruflichen Tätigkeit.
2. Eingriffe
a) Drei-Stufenlehre
Im Rahmen des Art. 12 I
GG sind verschiedene Eingriffsarten zu unterscheiden: (Das ist die Besonderheit
bei einem einheitlichen Grundrecht!)
Drei-Stufenlehre nach BVerfGE 7, 377 –
Apothekenurteil
aa) objektive Zulassungsvoraussetzungen
Um objektive Zulassungsbedingungen handelt
es sich, wenn zur Berufswahl objektive, dem Einfluss des Berufswilligen
entzogener, von seiner Qualifikation unabhängiger Kriterien erfüllt werden
müssen.
zB: - Bedürfnisklauseln nach dem Personenbeförderungsgesetz
- steuerrechtliche Vorschriften für bestimmte Berufe
- Spielbankmonopol
- ex Art. 3 I BayApothekenG (BVerfGE
7, 377 - Apothekenurteil)
bb) subjektive Zulassungsvoraussetzungen
Die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen
knüpfen an die Wahl eines Berufs persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten,
Kenntnisse und Erfahrungen, erworbene Abschlüsse und erbrachte Leistungen.
BVerfGE 13, 97 –
Handwerksordnung
zB: - Meisterprüfung
- Altersgrenzen
- Rechtsanwalt § 4 BRAO
cc) Berufsausübungsregelungen
Das sind teils objektive, teils subjektive
ausgestaltete Bedingungen, die die Modalitäten, in denen sich die berufliche
Tätigkeit vollzieht, regelt.
zB: - Anmeldepflichten
- Anzeigepflichten § 14 GewO
- Genehmigungspflichten § 4 GastG
b) Besonderheit: Schutzpflichten und Teilhabe
Im privatrechtlichen Bereich hat der
Gesetzgeber die Pflicht, das Arbeitswesen so auszugestalten, damit die
Berufsfreiheit erhalten bleibt.
BVerfGE 97, 169 –
Kündigungsschutz in Kleinbetrieben
Einen Anspruch auf Schaffung erweiterter
Kapazitäten im Ausbildungs- und Berufbereich, im Sinne eines Rechts auf Arbeit,
gibt es nicht.
BVerfGE 33, 303 – Numerus
Clausus
3. Rechtfertigung
a) Schranken
Gesetzesvorbehalt ergibt sich aus Art. 12 I
2 GG. Insbesondere bei Gesetzen, welche Art. 12 GG einschränken, ist auf die
Wesentlichkeitstheorie zu achten.
b) Stufenlehre
BVerfGE 7, 377 – Apothekenurteil
Die
Stufen (sie gelten für alle Schutzrichtungen gleichermaßen):
1
– Berufsausübung
2
– subjektive Zulassungsvoraussetzungen
3
– objektive Zulassungsvoraussetzungen
Für die Eingriffsrechtfertigung sind diese
Stufen zu unterscheiden, weil ihre Eingriffsintensität ansteigt und somit in
der Abwägung durch immer gewichtigere Gründe gerechtfertigt sein müssen.
Diese drei Stufen werden anhand des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes je unterschiedlich geprüft.
aa) legitimer Zweck
bb) geeignet
cc) notwendig
Die Maßnahme ist nicht notwendig, wenn der
Zweck auch mit einer Maßnahme niedrigerer Stufe hätte erreicht werden können.
dd) angemessen
- objektive Zulassungsvoraussetzungen
Abwehr
einer höchstwahrscheinlichen schweren Gefahr für ein überragendes Rechtsguts
- subjektive Zulassungsvoraussetzungen
Abwehr
von Gefahren für die Allgemeinheit
-
Berufsausübungsregelungen
Gesichtspunkte
der Zweckmäßigkeit zur Sicherung vernünftiger Erwägungen für das
Allgemeininteresse.