Funktionen der Grundrechte

 

1. Grundrechtsarten

Die Grundrechte lassen sich entsprechend ihrer Wirkung in drei Gruppen einteilen:

a)   Mit den meisten Grundrechten wird ein staatliches Handeln abgewehrt. Sie werden deshalb als Freiheitsgrundrechte oder Abwehrgrundrechte bezeichnet (Abwehrfunktion).

b)   Im Gegensatz dazu zielen die Leistungsgrundrechte darauf ab, ein staatliches Handeln zu erzwingen (Leistungsfunktion).

c)   Die Gleichheitsgrundrechte zielen auf ein relatives Verhalten des Staates. So kann der Bürger ein Verhalten des Staates verlangen, wenn er in gleichen Fällen ebenso gehandelt hat (Nichtdiskriminierungsfunktion).

 

2. Bedeutung und Ausweitung der Grundrechtsfunktion

Mit den Grundrechtsfunktionen werden durch Zweckgehalte angereicherte Grundrechtswirkungen beschreiben. Jedes Grundrecht wird durch seine dominante Funktion geprägt, kann aber sekundäre Funktion entfalten. Diese Ausweitung hat das BVerfG vor allem für die Freiheitsgrundrechte näher begründet. Danach sind diese nicht lediglich subjektive Abwehrrechte, sondern enthalten eine objektiv-rechtliche Wertentscheidung der Verfassung. Diese gelten für alle Bereiche der Rechtsordnung und geben Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. D.h. Grundrechte sind objektive Rechte.

 

3. Einzelne Grundrechtsfunktionen

a)   Abwehrfunktion

      Grundrechte dieser Art dienen dazu, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern. Für die Betroffenen ergibt sich das Recht, Einwirkungen in den Schutzbereich des Grundrechtes auszuschließen, indem derjenige z.B. Rechtsvorschriften für unwirksam erklären lassen und Verwaltungsakte aufheben lassen kann.

 

b)   Nichtdiskriminierungsfunktion

      Der Staat darf nicht ohne ausreichende Legitimation bei dem Verhalten in einer Sache bestimmte Differenzierungskriterien anwenden. Diese Gleichbehandlungsfunktion findet sich auch bei anderen Grundrechten außerhalb Art 3 GG.

 

c)   Leistungs- und Teilhabefunktion

      Die Leistungsgrundrechte sichern dem Grundrechtsinhaber bestimmte positive Leistungen des Staates. Demgemäss muss z.B. der Staat den Zugang zu den Gerichten zulassen oder die Teilnahme an bestimmten Einrichtungen gewährleisten. Inwieweit jedoch sich daraus ein Anspruch auf Schaffung solcher Einrichtungen ableiten lässt, ist unsicher.

      Anders als derivative Teilhabeansprüche führen Leistungsansprüche zu einer finanziellen Belastung des Staates, weswegen sie auch selten aus Grundrechten hervorgehen.

 

d)   Funktion des Schutzes Dritter

      Aus einer Reihe von Grundrechten (Art 1, 2, 5, 6, 8, 12 GG) ergibt sich eine Pflicht des Staates, die grundrechtlichen Güter vor Eingriffen Dritter zu schützen. Diese Pflicht trifft den Gesetzgeber, die Exekutive und die Rechtsprechung. Dies kann durch rechtliche Verbote und Gebote geschehen.

 

e)   Ausstrahlungswirkung

      Einen eigenständigen Sonderbereich des Schutzes vor Dritten bildet die Ausstrahlwirkung (mittelbare Grundrechtswirkung). Der Rechtsgehalt der Grundrechte wirkt „über das Medium der das einzelne Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffen ... auf dieses Rechtsgebiet ein“.

 

4. Hilfsfunktionen: Verfahren, Organisation, Ausgestaltung

Eine weitere Funktion der Grundrechte liegt im Rahmen der Organisations- und Verfahrensgestaltung. Demnach sind Verfahrensvorschriften grundrechtsfreundlich festzulegen, damit nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsdimensionen besteht. Die Grundrechtsdimension des Verfahrens und der Organisation können bei allen Grundrechtsfunktionen auftreten.

Des weiteren besteht die Pflicht zur rechtlichen Ausgestaltung der Grundrechte. Die Gesetzgebung ist somit gezwungen das Nähere zu regeln.