Besteht eine wirksame Bürgschaft, wenn sich der Bürge 'für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung' zwischen Hauptschuldner und Gläubiger verbürgt?
Wegen der weit gefassten Formulierung könnte der Bürgschaftsvertrag wegen mangelnder Bestimmtheit der verbürgten Forderung nicht wirksam zustande gekommen sein.
Das Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit des Bürgschaftsvertrages soll dem Bürgen das von ihm übernommene Risiko deutlich vor Augen führen. Um ihn vor einer unübersehbaren, ggf ruinösen Haftung zu bewahren, wird zum Teil verlangt, daß die verbürgte Forderung nicht nur sachlich auf Forderungen aus der Geschäftsverbindung, sondern darüber hinaus betragsmäßig begrenzt sein muß.
Nach Ansicht des BGH hat demgegenüber die fehlende summenmäßige Begrenzung der Bürgenhaftung nichts mit der Bestimmtheit der Hauptschuld zu tun.
Es sei nämlich klar, daß der Bürge für alle Hauptschulden aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung als einem festgelegten Kreis von Rechtsbeziehungen haften solle.
Die formularmäßige Zweckerklärung, die die Bürgenhaftung - auch aus einer Höchstbetragsbürgschaft - über die Verbindlichkeit des Hauptschuldners, die objektiver Anlaß der Verbürgung war, hinaus ausdehnt, verstößt idR gegen § 767 I 3 BGB und ist deshalb nach § 9 ABGB unwirksam.
BGH früher:
Es liegt keine unangemessene Benachteiligung des Bürgen vor, da dieser die gegenwärtigen Schulden des Hauptschuldners erfragen könne, um so den Umfang seines Haftungsrisikos zu begreifen.
BGH heute:
Ein Bürge, dem formularmäßig die Haftung für andere Forderungen auferlegt wird als jene, die objektiv die Verbürgung veranlassen, wird dadurch in der Regel unangemessen benachteiligt. Ihn mit einem Risiko zu belasten, dessen Umfang allein vom Handeln Dritter bestimmt wird, das er infolgedessen weder beeinflussen noch kalkulieren kann, widerspricht den Grundsätzen der im Vertragsrecht geltenden Privatautonomie.
Auch wenn klar ist, daß sich der Bürge für alle gegenwärtig vorhandenen Schulden verbürgt hat, kann er regelmäßig jedoch nicht erkennen, ob und ggf welche Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner bestehen. Die sich daraus ergebende Wissenslücke führt dazu, daß der Bürge die Trag- und Reichweite seines Risikos nicht ermessen kann.
Dem Gläubiger würde die Klausel die Möglichkeit verschaffen, den Bürgen wegen einer Verbindlichkeit des Hauptschuldners in Anspruch zu nehmen, die nicht Anlaß der Verbürgung und im Vertrag auch nicht näher bezeichnet war.
Die Inanspruchnahme wegen einer nicht näher bezeichneten Schuld läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der Bürge die bei Übernahme seiner Bürgschaft bestehenden Verbindlichkeiten des Hauptschuldners in Erfahrung bringen kann. Bei Abschluß eines Formularvertrages ist es nicht Sache des Kunden, durch Nachforschung für Klarheit der AGB zu sorgen. Vielmehr ist dies Aufgabe des Verwenders.