Wurde die nach § 766 BGB erforderliche Schriftform beachtet, wenn der Bürge seine Unterschrift blanko abgegeben hat und die Erklärung erst später durch Dritte vervollständigt wurde?
Bisherige Rspr des BGH
Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH ist die Bürgschaft formgerecht erteilt, wenn der Gläubiger im Besitz einer Urkunde ist, welche alle nach dem Gesetz erforderlichen Angaben enthält.
Den Anforderungen des § 766 war entsprochen, wenn der Bürge die Unterschrift leistet und die Urkunde nachträglich mit seinem Willen von einem hierzu ermächtigten Dritten durch Einfügung der erforderlichen Angaben ergänzt wird.
Neue Rspr des BGH
Der BGH hat aber - soweit es die Bürgschaft betrifft - seine Rechtsprechung geändert, da sie Sinn und Zweck der Formenstrenge des Bürgschaftsrechts nicht gerecht wird.
Da der Bürge ein erhebliches Risiko eingehe, müsse er sich dieses Risiko auch durch die Form des § 766 bewusst machen (Warnfunktion).
Eine formlose Bevollmächtigung eines Dritten sei daher trotz § 167 II mit dem Sinn und Zweck des § 766 nicht vereinbar.
Es gelten somit folgende Grundsätze:
Eine formbedürftige Bürgschaft kann nicht in der Weise erteilt werden, daß der Bürge eine Blankounterschrift leistet und einen anderen mündlich ermächtigt, die Urkunde zu ergänzen (Abweichung von § 167 II).
Wer nicht Kaufmann ist, kann einen anderen zur Erteilung einer Bürgschaft wirksam nur schriftlich bevollmächtigen. Bei formbedürftigen Bürgschaften ist es daher generell gerechtfertigt, die Vollmacht zur Abgabe der entsprechenden WE oder die Befugnis zur Ergänzung des Blanketts der Schriftform zu unterwerfen. Der Zweck der Schutzvorschrift des § 766, dem Bürgen Inhalt und Umfang seiner Haftung deutlich vor Augen zu führen, würde ausgehöhlt, wenn man es ausreichen ließe, daß der Bürge die Unterschrift auf ein Papier setzt, welches nicht sämtliche notwendigen Erklärungstatbestände enthält, und einen Dritten - insbesondere Haupt-schuldner und Gläubiger - mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben nachzuholen.
Gibt der Bürge eine Blankounterschrift ohne formgerechte Vollmacht oder Ermächtigung aus der Hand, haftet er aber gegenüber dem Gläubiger, der eine vollständige Urkunde erhält und ihr nicht ansehen kann, daß sie durch einen anderen ergänzt wurde (§ 172 II analog), nach Rechtsscheinsgrundsätzen.
Schutzbedürftig ist indessen nur derjenige, der eine vollständige Urkunde erhält und annehmen darf, die Erklärung stamme vom Bürgen selbst, der Urkunde also die Ergänzung durch den nicht wirksam ermächtigten Dritten nicht ansehen kann.
Dies gilt allerdings nicht, wenn die Bürgschaftserklärung vom Gläubiger selbst in wesentlichen Teilen ausgefüllt wurde.