Stärkung der 1. Instanz:
Künftig muss grds. jeder mündl. Verhandlung eine Güteverhandlung vorausgehen (§ 278 II ZPO). Grund hierfür waren die guten Erfahrungen im Arbeitsgerichtsprozess (Vergleichsquote dort 40%, vor den Zivilgerichten AG 10%, LG 17%. Ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag kann künftig nach § 278 VI ZPO durch beide Parteien mittels Schriftsatzes angenommen werden.
Materielle Prozessleitung durch das Gericht (§ 139 ZPO). Der Richter soll die Sach - und Rechtslage mit den Parteien umfassend erörtern. Insbesondere ist ein richterlicher Hinweis erforderlich, wenn das Gericht einen Umstand anders beurteilt, als beide Parteien. Dadurch soll die richterliche Entscheidungsfindung für die Parteien transparenter werden, damit der Prozessstoff auf die entscheidungserheblichen Fragen beschränkt werden kann.
Gesetzlicher Richter: Nach bisheriger Rechtslage entscheidet am AG stets ein Einzelrichter, am LG nur nach Beschluss der zuständigen Kammer. Künftig wird am LG grds. auch der Einzelrichter entscheiden (§ 348 I, 1 ZPO). Nur dann, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten bereitet oder von grundsätzlicher Bedeutung ist, kann er die Sache an die Kammer übertragen. Eine originäre Kammerzuständigkeit ist nur noch in den Fällen des § 348 I,2 ZPO vorgesehen.
Rechtsschutz gegen nicht berufungsfähige Urteile:
Es besteht jetzt nach § 321 a ZPO die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen nicht berufungsfähige Urteile. Die durch das Urteil beschwerte Partei kann durch Einreichung einer Rügeschrift innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen regelmäßig ab Zustellung des vollständigen Urteils geltend machen, dass das Urteil unter entscheidungserheblicher Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen sei.
Nach § 321 a V ZPO wird dann das Verfahren in den Zustand zurück versetzt, in dem es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befunden hat.
Kostentragung:
Neu ist auch die Regelung zur Erledigung der Hauptsache vor Rechtshängigkeit der Klage in § 269 III 3 ZPO. Wenn der Kläger daraufhin die Klage unverzüglich zurücknimmt, bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach - und Streitstands nach billigem Ermessen. Dem Richter wird hier ein erheblicher Entscheidungsspielraum zugebilligt.
Kostensparende Bedeutung für den Kläger dürfte die Vorschrift v.a. in den Fällen (rückwirkender) Aufrechnung oder Anfechtung durch den Beklagten gewinnen. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, wie die Gerichte das Merkmal "unverzüglich" interpretieren, wenn der Beklagte im Prozess z.B. die Aufrechnung erklärt, da diese auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage zurückwirkt. Bestand diese schon vor Klageerhebung, dann war die Klage schon vor Klageerhebung unbegründet.
Generelle Neukonzeption des Rechtsmittelrechts:
Bislang wurde zwischen selbständigen und unselbständigen Anschlussrechtsmittel unterschieden (vgl. zB § 522 ZPO). Die selbständigen Anschlussrechtsmittel werden abgeschafft. Will der Rechtsmittelführer von dem von der Gegenpartei eingelegten Rechtsmittel unabhängig sein, muss er selbst unter Beachtung der Formalien Rechtsmittel einlegen.
Die Berufung kann künftig bei einem Beschwerdewert von mehr als 600 EUR (bisher mehr als 1.500,- DM, § 511 a II ZPO) oder - unabhängig davon - bei Zulassung durch das Gericht 1. Instanz eingelegt werden (§ 511 II ZPO). Die Berufung ist zuzulassen, wenn die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 IV ZPO). Das Berufungsgericht prüft, die Zulässigkeit der Berufung ( § 522 Abs. 1 ZPO) sowie deren Erfolgsaussicht ( § 522 II ZPO). Das Berufungsgericht kann im vereinfachten Entscheidungsverfahren die Berufung zurückweisen, wenn es einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung keine Erfolgsaussicht hat oder die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Entscheidung des Berufungsgerichts weder zur Rechtsfortbildung noch zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist. Ist die Berufung bereits unzulässig, ergeht eine Berufungsentscheidung nach § 522 I, 2 ZPO. Sie kann durch Beschluss ergehen, gegen den die Rechtsbeschwerde beim BGH gegeben ist ( § 522 I, 3, 4 ZPO, § 133 GVG). Verwirft das Gericht die Berufung als unzulässig durch Urteil, unterliegt dieses nach Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht bzw. auf eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH der Revision, über die der BGH entscheidet (§§ 543, 544 ZPO, § 133 GVG). Ergibt die Vorprüfung, dass die zulässige Berufung nicht die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO erfüllt, wird sie durch einstimmigen Beschluss des Berufungsgerichts zurückgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtsmittelfähig ( § 522 III ZPO).
Die Revisionsinstanz beim BGH: Nach bisheriger Rechtslage ist eine Revision grundsätzlich nur zulässig gegen Urteile des OLG, wenn der Streitwert von 60.000,- DM überschritten ist oder das OLG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen hat. Dies hatte zur Folge, dass Fehlurteile in der Berufungsinstanz mit geringem Streitwert, bei denen das LG für die Berufung zuständig war, nicht mehr überprüft werden konnten. Künftig wird auf das Streitwerterfordernis verzichtet. Eine Revision ist nur noch nach Zulassung durch das Berufungsgericht ( LG oder OLG) oder nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Revisionsgericht zulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Neukonzeption des Beschwerderechts: Bislang existierten zwei Beschwerdearten, die fristlose (einfache, gemäß §§ 567 ff. ZPO) und die fristgebundene sofortige Beschwerde ( § 577 ZPO). Künftig gibt es nur noch die fristgebundene sofortige Beschwerde, die innerhalb einer Frist von 2 Wochen einzulegen ist ( §§ 569 I, 224 I, 2 ZPO).