Verfassungsbeschwerde Art. 93 I Nr. 4a GG iVm §§ 13 Nr. 8a, 90 ff BVerfGG

 

A.  Zulässigkeit Art. 94 II 2 GG iVm §§ 90 ff BVerfGG

I.    Antragsberechtigung Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG

Antragsberechtigt ist „jedermann“; dh jeder Grundrechtsträger.

1.   natürliche Personen

      -     grundsätzlich von der Geburt bis zum Tod

      -     Problem nasciturus:

            -     Problem nach dem Tod             

            -     auf Deutschengrundrechte (siehe Art. 116 GG) können sich nur Deutsche iSd GG berufen. Für Nichtdeutsche ist Art. 2 I GG einschlägig.

 

      2.   juristische Personen des Privatrechts Art. 19 III GG

            (privatrechtliche Personenvereinigungen)

Sie sind grundrechtsfähig soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. Dh höchstpersönliche Rechtsgüter Leben, Gesundheit oder Menschenwürde fallen weg.

 

      3.   juristische Personen des Öffentlichen-Rechts Art. 19 III GG

            Grundsatz:      sie sind nicht grundrechtsfähig, weil die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat sind.

            Ausnahme:     juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auf die institutionellen Grundrechte berufen (Art. 19 IV, 101 I 2, 103 I, 104 GG)

            -     Universitäten Art. 5 III GG

            -     Rundfunkanstalten Art. 5 I 2 GG

            -     Religionsgemeinschaften Art. 3 I, 4 II GG

            Diese Institutionen können sich deshalb auf die speziellen Grundrechte berufen, weil deren Aufgabe eben die Verwirklichung dieses Grundrechts ist. Ohne diese Möglichkeit würde das Grundrecht inhaltlich entlehrt werden.

            Gemeinden können sich auf Art. 28 II GG (grundrechtsähnliches Recht) berufen:

            Art. 93 I Nr. 4b GG iVm §§ 13 Nr. 8a, 91 BVerfGG

 

II.   Beschwerdegegenstand (Statthaftigkeit)

      Nach Art. 93 I Nr. 4a GG: Jeder Akt öffentlicher Gewalt.

      Problem: deutsche Stellen führen EG-Recht aus

 

      1.   Normen

Normen jeder Art können tauglicher Beschwerdegegenstand sein:

      -     Verfassungswidriges Verfassungsrecht

      -     Verfassungsändernde Gesetze

      -     förmliche Bundesgesetze

      -     Landesverfassungsrecht

      -     förmliche Landesgesetze

      -     Rechtsverordnungen und Satzungen

      -     Verwaltungsvorschriften

      Maßgeblicher Zeitpunkt:

Die Normen müssen in Kraft getreten sein und noch in Kraft sein, oder zumindest noch Wirkung zeitigen.

 

      2.   Verwaltungshandeln

Verwaltungshandeln kann direkt nur gem § 90 II BVerfGG überprüft werden.

Ansonsten ist eine Überprüfung nur nach Erschöpfung des Rechtswegs möglich, dann also als Urteilsverfassungsbeschwerde.

 

      3.   Akte richterlicher Gewalt

            jedes Gerichtes: Bundes- oder Landesgerichte

            Entscheidungen können sein:

            -     Endurteile

            -     instanzabschließender Beschluss:

                  -    Problem Teilentscheidungen

                  -    Problem §§ 80 V, 123 VwGO

 

Bei Urteilsverfassungsbeschwerden ist Prüfungsgegenstand grundsätzlich die letztinstanzliche Entscheidung. Der Beschwerdeführer kann jedoch die unterinstanzlichen Entscheidungen miteinbeziehen und uU auch die zugrundeliegende Maßnahme (zB VA).

 

III.  Beschwerdebefugnis

Der Beschwerdeführer muss geltend machen, durch die öffentliche Gewalt möglicherweise (dh es darf nicht ganz ausgeschlossen sein) selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten (oder grundrechtsähnlichen Rechten) betroffen zu sein.

      1.   selbst

Die Maßnahme (Norm, VA oder Urteil) muss den Beschwerdeführer selbst treffen.

 

      2.   gegenwärtig

Gegenwärtig bedeutet, das der Beschwerdeführer schon und noch betroffen ist. Die Beeinträchtigung muss also bereits eingetreten sein.

Ausnahmen:

-     Die geltend gemachte Beeinträchtigung steht unmittelbar bevor

-     Norm veranlasst Beschwerdeführer bereits jetzt zu nicht mehr korrigierbaren Dispositionen

-     Trotz Aufhebung einer Norm kann der Beschwerdeführer noch betroffen sein, wenn die Norm noch Wirkungen zeitigt, beziehungsweise ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung besteht. Das ist der Fall bei Wiederholungsgefahr, ansonsten effektiver Grundrechtsschutz unmöglich wäre oder es sich um eine schwere Grundrechtsverletzung handelt.

 

      3.   unmittelbar

Unmittelbarkeit bedeutet, dass die Maßnahme keines weiteren Vollzugsaktes bedarf.

Die Unmittelbarkeit ist zB nicht gegeben bei:

-     VO Ermächtigungen

-     Normen die einen VA-Erlass ins Ermessen der Behörde stellen

Ausnahme: Bei Straf- und Ordnungswidrigkeitsnormen aber ist ein Zuwarten auf den Vollzugsakt nicht zumutbar.

 

IV.  Rechtswegserschöpfung § 90 II 1 BVerfGG iVm Art. 94 II 2 GG

Bevor das BVerfG angerufen wird soll der Beschwerdeführer zunächst sämtliche Rechtsmittel bemüht haben. Dies dient der Entlastung des BVerfG. Besonders relevant bei angegriffenen VAs oder Urteilen.

 

Zu den einzulegenden Rechtsmitteln zählen nicht:

-     Landesverfassungsbeschwerde (parallel möglich)

-     Dienstaufsichtsbeschwerde

-     Petitionen

-     Wiederaufnahmeanträge

 

1.   Ausnahme: förmliche Gesetze

Diese Ausnahme ergibt sich logischerweise, da es für förmliche Gesetze keinen Rechtsweg gibt.

            Ausnahme:     untergesetzliche Normen

diese können mit der Normkontrolle gem § 47 VwGO überprüft werden.

 

      2.   Ausnahme: § 90 II 2 BVerfGG sog Vorabentscheidung

            Diese kommt nur in Betracht bei:

            -     allgemeiner Bedeutung

            -     schwerer unabwendbarer Nachteile

 

V.   Frist § 93 I 1 BVerfGG

      1 Monat

 

VI.  Form § 23 I BVerfG

      Schriftform mit Begründung.

 

B.  Begründetheit

I.    Prüfungsmaßstab

      1.   Urteilsverfassungsbeschwerde

            Stichwort: BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz

            Daher prüft das BVerfG hier nur:

            -     Ist die entscheidungserhebliche Norm verfassungsgemäß?

            -     Verstoß gegen ein Verfahrensgrundrecht im konkreten Verfahren?

            -     Inhalt der Entscheidung verstößt gegen Grundrechte des § 90 I BVerfGG. Dies ist nur möglich wenn:

                  -    Grundrecht nicht erkannt wurde

                  -    Grundrechtgehalt verkannt wurde

                  -    die Entscheidung willkürlich ist

 

      2.   Verwaltungsverfassungsbeschwerde

            -     Ermächtigungsnorm verfassungsgemäß?

            -     Verletzt die konkrete Maßnahme Grundrechte

 

      3.   Normverfassungsbeschwerde

Maßstab ist das gesamte Grundgesetz, weil eine rechtswidrige Norm immer Grundrechtsbeschränkend wirkt.

 

II.   Inhalt § 95 BVerfGG

      -     Aufhebung des Grundrechtseingriffs

      -     Aufhebung der Maßnahme